Spieler im Fokus

Dan-Axel Zagadou - Die frühreife Zukunftsinvestition

16.01.2018, 18:16 Uhr von:  Redaktion

Talentierte Jung-Fußballer gibt es auf der Welt wie Sand am Meer. Im europäischen Klubfußball brilliert eine Hand voll Vereine mit überragender Arbeit im Nachwuchsbereich: Ajax Amsterdam perfektionierte den nahtlosen Übergang seiner jungen Talente in den Profibereich schon vor Jahren – auf der Habenseite stehen seit jeher enorme Transfererlöse und ein fast schon legendäres Image. Analog dazu werden auch in der katalanischen La Masia – Schule Kinder und Jugendliche mit hohen fußballerischen Fähigkeiten aufgezogen, an denen sich der große FC Barcelona nicht nur in Persönlichkeiten wie Xavi, Iniesta, Puyol oder Sergio Busquets jahrelang erfreuen durfte und sich auch zukünftig keine Sorgen um Nachkömmlinge mit Potenzial „Weltklasse“ sorgen muss. So traditions – und erfolgreich die Jugendarbeit auf der einen Seite durchgeführt wird, so zweitrangig schien eben jene jahrelang bei anderen Klubs zu sein. Neureiche, aus dem fernen Osten gesponserte und mit schier endlosem finanziellen Rückhalt „gesegnete“ Einrichtungen wie Manchester City oder Paris Saint-Germain waren lange dafür bekannt, Eigengewächsen eine mangelhafte Chance auf Durchlässigkeit zur höchsten Profi-Ebene zu ermöglichen. Spieler wurden und werden für viel Geld eingekauft und eingesetzt – und es funktioniert, zumindest größtenteils. Nebeneffekt: Trotz allen Fähigkeiten bleiben die blutjungen und in den Akademien heranwachsenden Rohdiamanten zu häufig auf der Strecke. Das beste Beispiel dafür liefert der Klub aus der französischen Hauptstadt.

PSG ist bekannt für seine überdurchschnittlich gute Jugendarbeit und die Vielzahl an hoffnungsvollen Talenten, die über kurz oder lang den Weltfußball bereichern könnten. Mangelnde Aussichten auf Einsatzzeiten und Spielmöglichkeiten führten in der jüngeren Vergangenheit jedoch zu einem personellen Aderlass – so auch im letzten Sommer, als der BVB sich entschloss einen 18-jährigen und 1,96 Meter großen Innenverteidiger zu verpflichten, von dem in Deutschland wohl noch nie jemand etwas gehört hatte.

Dan-Axel Zagadou, Kapitän der französischen U19-Nationalmannschaft, weigerte sich bei PSG einen Profi-Vertrag zu unterschreiben. Der junge Mann orientierte sich an Kingsley Coman, Moussa Dembele und Mamadou Doucore – alle hochtalentiert, alle aber vor allem mit der Absicht, das auf Dauer und konstant zeigen zu dürfen. Der Verein plante auf lange Sicht eine Innenverteidiger-Partnerschaft mit Zagadou und Prisnel Kimpembe (mittlerweile Stammspieler der ersten Mannschaft) – doch der 1999 in Créteil geborene Hüne hatte andere Pläne. Er stattete Manchester City einen Besuch ab, auch RB Leipzig war interessiert. Womöglich angefixt von den zuvor erfolgreich integrierten Frankreich-Importen Ousmane Dembele und Raphael Guerreiro, bekam Borussia Dortmund letztlich den Zuschlag – ablösefrei. "Ich habe mich ganz bewusst für den BVB entschieden, weil es diesem großen Klub immer wieder gelingt, junge Spieler ins Profiteam zu integrieren und sie auf höchstem Niveau weiterzuentwickeln". Ob eine Anspielung auf seinen alten Arbeitgeber oder nicht – der junge Franzose sollte schneller als wohl gedacht im Rampenlicht stehen.

Selten passte ein Spruch besser als in diesem Fall: Ein Mann wie ein Baum. Zagadou fällt beim allerersten Blick durch seine unglaubliche Statur auf – bei 1,96 Meter Körpergröße noch auffällig schnell, fast unüberwindbar im Kopfball und Zweikampf. Dazu Linksfuß und mit einer überdurchschnittlich guten Spieleröffnung. Würde man ihn zum ersten Mal sehen, die letzten beiden Gedanken wären: Der Typ ist 18 und kann Linksverteidiger spielen. Beides ist der Fall, letzteres in dieser Saison sogar vermehrt. Unter Ex-Trainer Peter Bosz wurde der gelernte Innenverteidiger nach dem Ausfall von gleich vier (!) Außenverteidigern zum Linksaußen in der Abwehrreihe umfunktioniert, machte seine Sache äußerst solide und zählte zwischenzeitlich sogar zum Stammpersonal. "Es ist nicht seine Position, aber er macht das sehr gut. Er hat uns sehr geholfen", erklärte Peter Bosz vor dem ersten Härtetest in der Champions League gegen Real Madrid im September – zuvor stand der Franzose in acht von neun Pflichtspielen auf dem Rasen und konnte überzeugen. Nicht umsonst wurde er im selben Monat noch zum „Rookie of the Month“ ernannt.

Dem überragenden Saisonstart folgte im Herbst die kollektive Krise und der sportliche Sinkflug, bei dem sich auch der blutjunge Verteidiger das erste Mal von der gesamten Tiefschlafphase der Mannschaft anstecken ließ. Negativer Höhepunkt war mit Sicherheit die 2:4 – Niederlage in Hannover, bei der der gesamte Defensiv-Verbund des BVB katastrophal agierte und Zagadou als Krönung mit Rot vom Platz geschickt wurde und auch sonst äußerst fehlerbehaftet agierte, nachdem er zuvor auch noch seinen ersten Treffer für die Borussia erzielen konnte.

Die sportliche Talfahrt gipfelte im „Jahrhundertderby“ gegen GE und der Entlassung von Bosz, unter Neu-Coach Peter Stöger blieb der Franzose bislang ohne gespielte Minute. Mit der sich einigermaßen entspannenden Personalsituation auf der linken Abwehrseite scheinen sich gleichzeitig auch die Chancen auf regelmäßige Einsatzzeiten für den Jungspund deutlich zu verschlechtern. Zwar fällt Kapitän Schmelzer aller Voraussicht nach erneut mehrere Wochen aus, jedoch kehren parallel dazu sowohl Durm als auch Piszczek wieder in die Mannschaft zurück. Auf den restlichen Positionen sind, wenn fit, Sokratis, Bartra, Toprak und sogar Subotic dem Franzosen momentan mindestens einen Schritt voraus und gesetzt.

Keine einfache Situation für den Mann, der von Anfang an äußerst langsam an die Mannschaft herangeführt werden sollte, um dann innerhalb von nur einem halben Jahr beide turbulenten Extreme des Profifußballs hautnah miterleben durfte. Dass der BVB mit der ablösefreien Verpflichtung eines der größten jungen Abwehrtalente Europas absolut nichts falsch gemacht hat, ist schon jetzt klar. Zagadou ist eine waschechte Alternative, wenn bislang oder im Moment auch nur für den zweiten Anzug. Mit erst 18 Lenzen hat er bereits bewiesen, dass er auf dem allerhöchsten Niveau mehr als nur mithalten kann. In der schwatzgelben Wohlfühloase für junge Akteure hat der ehemalige Pariser alle Zeit der Welt zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. "Sollte er sich für uns entscheiden, wäre e ein Perspektivspieler, der uns sicher nicht sofort weiterhilft.", erklärte Aki Watzke noch vor Abschluss des Transfers. „Ich bin überzeugt, dass Zagadou ein ganz Großer werden kann. Das ist ein Mega-Talent – und das ist unser Weg.“, klang der Wortlaut nur ein halbes Jahr später. „Daxo“ hat schon jetzt alle Erwartungen übertroffen.


Boris, 16.01.2018

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel